Karotten

Wenn ich an etwas arbeiten muss, das mich nicht motiviert, komme ich oft in eine sehr unangenehme und auszehrende Phase in der ich mich gezwungen fühle meine gesamte Aufmerksamkeit auf das entsprechende Projekt zu richten, um es hinter mich zu bringen. Prokrastinierend und unfokusiert trete ich fast auf der Stelle, bis der Zeitdruck irgendwann kaum mehr Raum für abschweifende Gedanken lässt. Dieses unschöne Phänomen hat beim Schreiben meiner Bachelorarbeit erneut ungekannte Ausmaße angenommen und sich später bei der Vorbereitung zur Verteidigung selbiger Arbeit wiederholt. Auch wenn ich rückblickend zweifellos einige nützliche Dinge bei dieser Arbeit gelernt habe, verbleibt der Gesamteindruck einer sehr zwanghaften und ungesunden Episode.

Nicht unzufrieden, aber doch ziemlich erstaunt erfuhr ich dann, dass mein wochenlanger Leidensweg aus Drogenexzess und Selbstzerstörung mit der Bestnote belohnt wurde. Das ist zwar schön, aber irgendwie nicht ganz im Einklang mit meinem eigenen Eindruck. Interessanterweise hat im selben Zug auch meine innere Bereitschaft zu einer ernsthaften Fortsetzung des Studiums kurzzeitig von „auf gar keinen Fall“ zu „hmm, ja vielleicht“ gewechselt. Doch es bleibt dabei, die letzten 5 Semester haben mir klar gemacht, dass es Zeit wird, etwas anderes zu versuchen.

Durch den gesamten Bildungsweg hinweg werden wir dazu konditioniert, äußeren Ansprüchen gerecht zu werden. Wer sich erwartungsgemäß verhält und die geforderten Leistungen erbringen kann, erhält Belohnungen verschiedener Art und Anerkennung. Das menschliche Streben nach Anerkennung ist wohl nicht erst aus der Leistungsgesellschaft erwachsen, wie aber durch diese Eigenschaft Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung genommen wird halte ich für fragwürdig<(euphemistisch gesprochen)>.

Ist ein gutes Gefühl bei dem was man tut nicht wichtiger, als sich das von anderen sagen zu lassen? Ich glaube, hier liegt ein gravierender Faktor für all die Gesellschaftskrankheiten die sich in der westlichen Welt ausbreiten, wie Burnout und Depression, oder auch Alzheimer, Demenz, Krebs und viele andere. Wer die eigenen Wünsche und Bedürfnisse vernachlässigt, um seinen Lebenswandel auf das Erlangen äußerer Belohnungen zu optimieren, läuft Gefahr chronisch unglücklich zu werden. Ein chronisch unglücklicher Mensch ist bereits krank und ich bin davon überzeugt, dass psychische und physische Gesundheit zusammenhängen.

Natürlich ist es ein utopischer Anspruch, jeden Augenblick seines Daseins in heller Begeisterung über sein Tun und Schaffen zu verbringen. Es wird fast immer mal unschöne Etappen geben die man im Sinne des Ganzen irgendwie überwinden muss. Wenn aber der Gesamtprozess an sich einfach demotivierend ist, sind alle Maßnamen und verhaltenspsychologischen Tricks, um trotzdem weiter zu machen letztlich nur Selbstverarsche. Ein guter Indikator wäre vielleicht, ob man einer Tätigkeit prinzipiell auch einfach so nachgehen würde, ohne dem Lob, dem Gehaltsscheck, der Beförderung, dem Ansehen, dem Status.<(mal abgesehen davon, dass man vielleicht nicht mehr die Zeit dazu hätte, wenn man sich auf anderem Wege seine Brötchen verdienen müsste…)>

Ich träume von einer Gesellschaft, in der die Wahl der Berufstätigkeit in keiner Weise mehr vom Faktor Geld abhängig ist. Da ich leider nicht erwarte, das noch zu erleben, bleibt mir nur der Versuch mein Glück selbst zu schmieden, so gut es eben geht.